DIE EINSAMKEIT DES LANGSTRECKENLÄUFERS
In jedem Rennen
bist du allein.
Entweder du klammerst dich
an irgendeinen Vordermann,
den du erreichst, überläufst;
an einen, den du
aus deinem Blickfeld entschwinden,
als Punkt noch manchmal,
auf langen Geraden, siehst
an einen, den du
in immer gleichem Abstand
vor dir herjagst
- und der dir zeigt: wie
schnell du selber bist.
Oder du hörst das Hecheln
in deinem Rücken,
wie es näher kommt,
deinen Atem raubt,
deine kurzen, mutlosen Schritte
fordern auf:
Geh vorbei!
Wie es ferner wird
und im Knirschen
beflügelter Tritte
untergeht;
wie es aber auch
oft an- und abschwillt:
auf der Ebene,
bergab, hast du
den Schatten gelöst,
an jeder Steigung jedoch
keucht und dampft
es wieder
dicht hinter dir.
Manchmal im Pulk
ist die Einsamkeit am größten.
Du riechst ihren Schweiß
und möchtest ihnen sagen:
Ich bleib nicht dran.
Der Asphalt fliegt,
die Füße setzen zentimeterdicht,
die Oberarme streicheln sich.
Diebe im Windschatten.
Keiner für den andern.
Du willst abreißen
und wunderst dich:
Plötzlich führst du
die Gruppe
gegen den Wind.
Keiner wird dir danken,
wenn sie
bei Kilometer 35
sich lösen
in kleinen Grüppchen
- auch einzeln.
Was wird dann
aus dir?
(Günter Krehl, 2. Mai 1981, Krankenhaus Calw)