Calw-Stammheim, 20./21. 9. 2005

 

Lieber Karl-Horst,

 

noch mal vielen Dank für die Zusendung deines Buches. Ich habe es sofort quergelesen und einige Tage später in einem Rutsch genau durchstudiert. Dabei sind mir viele Erinnerungen wieder in den Sinn gekommen an gemeinsame Läufe oder an Wettkämpfe, die auch ich erlebt habe, wenn auch nicht unbedingt im gleichen Jahr.

 

Dies ist ein offener Brief, vielleicht auch eine Buchbesprechung, auf jeden Fall eine Hommage an einen alten lieben Sportkameraden, der viel zu kurz Weggefährte meiner nun 41jährigen Wettkampfzeit war.

 

Plötzlich warst du da, erst noch deutlich hinter mir, dann schnell auf gleicher Höhe und später am Berg meist unerreicht. Bis auf wenige Ausnahmen konntest du unsere direkten Duelle immer für dich entscheiden, durch deinen „Altersvorsprung“ warst du auf nationaler Ebene auf Siege programmiert und konntest deine Laufbahn mit drei deutschen Meisterschaften krönen. So waren wir z. B. 1992 am Schauinsland praktisch zeitgleich im Ziel, was für dich aber ein toller Sieg in der M 50 bedeutete war für mich ein bescheidener 10. Platz in der M 40. So richtig aktiv warst du eigentlich nur 10 Jahre von 1986 bis 1995. Also eine Sternschnuppe, ein Unvollendeter, der genauso schnell wie er die Bühne des Leistungssports betreten hatte leise wieder Servus sagte.

 

Eigentlich dachte ich immer, du wärst ein alter Fuchs mit jahrzehntelanger Erfahrung, dabei hast du mit langsamem Laufen erst vor 23 Jahren (1982) begonnen. Als du noch geraucht hast und dann auf Krücken durchs Leben humpeln musstest habe ich schon 17 Wettkampfjahre auf dem Buckel gehabt und die 2:30 im Marathon noch immer erfolglos attackiert.

 

Warum war deine Hochgebirgstour so abschreckend, war es doch ein Kumpel, der die Probleme hatte? Man sieht Nichtläufer sind viel ängstlicher. Später hast du dir wenig Gedanken um Herz und Hirn gemacht, als du die steilsten Rampen im roten Bereich hochgejagt bist. Die Latemartour hatten Petra und ich schon 1973 gemeistert. Diese war wohl die einsamste und geheimnisvollste, auch eine der ersten unserer langjährigen Bergfahrten.

 

Ein Wiedersehen mit alten Laufkameraden macht dein Büchlein besonders lesenswert. Eugen Schabel (SV Brackwede, oft auch für Kitzbühel startend) lernten wir 1994 in Andorra kennen. Damals war er schon 79 Jahre alt, lief immer noch ausgezeichnet und sprach von vielen internationalen Erfolgen. Er war auf knapp 9 km beim Bergrennen gerade einmal gute 6 Minuten langsamer als ich. Vorher war ich etwas skeptisch gewesen, war er mir bei Seniorenmeisterschaften doch nie aufgefallen. Er war ein echter Lebenskünstler, verbrachte den Sommer in den Alpenländern und tingelte von berglauf zu Berglauf. Im Internet habe ich recherchiert und den guten Eugen noch in vielen Listen in den Jahren 2000 bis 2003 gefunden. Die Spur endet 2004 mit dem Herrmanslauf (3:25 h) und einem weiteren Rennen. Nun sind nur noch wenige hinter ihm, aber er wird (so fern er noch lebt) in diesem Jahr 90!

Paul Christl war noch in den 90er Jahren in seiner Alterklasse ganz vorn in Deutschland, heuer taucht er nur noch hin und wieder am Berg auf, seine Hüftprobleme, die er früher unwahrscheinlich gut kompensieren konnte, zwingen ihn in hintere Bereiche.

Sigmar Müller, dein großer Konkurrent und einstiger 14 Minutenläufer über 5 000 m hat noch jahrelang vordere Platzierungen erzielt. Heuer musste er bei der DM in Kappelrodeck aus dem Rennen gehen.

 

Wenn ich über deinen Aufenthalt auf dem Hahnenkamm lese finde ich es doch ein wenig schade, dass wir nie einen Laufurlaub auf der Ehrenbachhöhe gemacht haben. Sicher mehr als 10 Jahre verbrachten wir unseren Sommerurlaub im Tal in der kleinen Ortschaft Reith. Wir kletterten im Wilden Kaiser, schwammen im Schwarzsee und rannten auf unterschiedlichen Wegen auf Horn und Hahnenkamm, um damals noch kostenlos mit den 3 Bahnen ins Tal zu schweben. Immer fanden wir den Höhenzug mit dem Hotel so beengend klein und für unsere ausgedehnten Touren ungeeignet. Was du über die rührende Wirtsfamilie schreibst ist beeindruckend. Hast du noch Verbindung? Die Laufwochen gibt es sicher nicht mehr, ich sah nie mehr Anzeigen. Dr. Thurner müsste nun auch schon 85 sein, wenn er noch lebt.

 

Zum Anfang deiner Geschichte. Selten habe ich einen so willensstarken Menschen gesehen. Beruflich und sportlich gleich engagiert, das gibt es hin und wieder. Der Ehrgeiz aus einer solchen Krankheit mit eisernem Willen zu entkommen ist außergewöhnlich und muss als Vorbild dienen. Zu zeigst aber in deinen Schilderungen, dass dich der liebe Gott noch zusätzlich mit einem großen Potential an Talent ausgestattet hat. Weniger an deinen später erbrachten Leistungen, mehr an deinem erstaunlichen Einstieg sieht man dies. Wie kann man nach solchen gesundheitlichen Problemen und dieser unsportlichen Vergangenheit in wenigen Wochen (genau 4 Monate) eigentlich aus dem „Stand“ 33:45 (was etwa 45 Minuten für 10 km entspricht) über 7,5 km laufen? Auch das 1 000 Meter Schwimmen ist für einen Ungeübten mit 23:33 sensationell und ein fast 30er Schnitt auf dem Rad über 25 km ist ebenso gut. Deine Handballzeit als rauchendes Talent mag ich nicht so sehr als Vorbote einer späteren Ausdauerkarriere anschauen. Sicher hast du richtig und ruhig mit deinem Training begonnen, dann aber ganz schön Fahrt aufgenommen. Auf Seite 43 schreibst du von 5 x 1 000 m im Schnitt in 3:15 drei Tage vor einem 10er Wettkampf und auf Seite 60 berichtest du von 44:40 über 10 km im Training am Vortag eines 10 000 m Laufes. Gewiss hatte ich in besseren Tagen mein Pensum bei unwichtigeren Wettkämpfen auch voll durchgezogen und war oft am Tag vor und nach dem Rennen 20 oder 25 Kilometer gelaufen. Solche Tempoeinheiten hätte ich aber ebenso wenig weggesteckt wie deine Hügelläufe mit stetig schnellerem Tempo. Auch ich habe mit Tempoläufen experimentiert, auch am Berg, anfangs voller Begeisterung brach ich dieses Training abrupt ab, mied die betreffende Steigung jahrelang und nahm dafür oft große Umwege auf mich.

 

Der Sport wirkt in allen Bereichen positiv auf dich. Du wirst nie mehr krank trotz eines eisenharten Trainings. Dabei ist Hochleistungsport ein schmaler Balanceakt und vor allem nach Marathonläufen habe ich das berühmte „open window“ oft am eigenen Leibe erfahren. Zwei bis vier Infekte im Jahr waren ständige Begleiter meiner „besten Jahre“, haben mich aber nie wirklich stoppen können. Du schreibst nur über deine Jahreskilometer im Jahre 1987. Mit 2312 waren sie lächerlich gering. Entschuldige, aber da bin ich noch letztes Jahr doppelt so viel getrabt, wenn auch mit Wettkämpfen zusammen nur wenig schneller als im Sechserschnitt. Du bist zwar nie Marathonläufer gewesen, deine 34:22 über 10 Kilometer mit einem Wochenschnitt von 45 sind aber „verboten gut“.

 

Der Sport hat dir also so viel gegeben und da muss ich einfach staunen: Wie kommt der Mensch dazu, vom „Schluss machen“ zu reden? Auf Seite 65 schreibst du, du willst Deutscher Berglaufmeister werden, dafür ein knüppelhartes Training auf dich nehmen und „danach sollte aber endgültig Schluss mit der Schinderei sein.“ Ganz schön mutig für ein Greenhorn sich solche hochgesteckten Ziele zu setzen, noch mutiger vom Ende der Karriere zu sprechen, die doch gerade kaum begonnen hatte. Du hast dann doch noch 4 Jahre weitergemacht -  und ich weiß, nicht freiwillig aufgehört.

 

Dein Buch schreit geradezu nach einer Fortsetzung. So lässt man den Leser nicht allein. Man steigt nicht einfach aufs Rennrad und Mountainbike um, verlässt seinen „Lebensretter Laufen“ wortlos, geht auf die Insel und lässt den Leser davon nichts wissen. Lass dir diesmal nicht wieder so lange Zeit und tippe fleißig in den Computer, dafür wurde er ja erfunden.

 

Dein Buch wird sicher nie eine Riesenauflage erreichen. Es ist aber ein kleines Juwel für alle, die dich kennen und schätzen. Es ist eine schöne Erinnerung für alle, die die Berge im Schwarzwald und den Alpen je laufend bezwungen haben. Besonders aber kann es Lichtblick für alle sein, die gesundheitlich auf einem Tiefpunkt angelangt sind. Nicht jeder wird am Ende Deutscher Meister werden, vielleicht kann der eine oder andere aber seinen Krücken davonlaufen.

 

In diesem Sinne wünscht dir eine bewegungsintensive glückliche Zukunft dein Günter Krehl

 

 

Hier einige kleine Korrekturen für eine eventuelle Neuauflage und 2 Anmerkungen:

 

Als Läufer stört mich einfach die falsche Schreibweise vieler Zeiten. Die Minute hat 60 Sekunden, die Sekunde aber 100 Hundertstelsekunden und das wird einfach mit Komma und nicht mit Doppelpunkt getrennt. Einige Zeiten haben Hundertstel, auffallend ist aber, dass sie durchweg volle Zehner haben, war das echte elektronische Stoppung (Zufall) oder nur eine Handstoppung mit angehängter Null?

 

S. 28  unten Georg Dury (nicht Durry)

 

S. 33  (nicht 34:21.4) 34:21,4

 

(Anmerkung S. 37 Mitte: Hast du schon mal das Rote Kreuz mit seinem ausgebildeten Personal zur Hilfe gebraucht? Beim Felsenwegberglauf musste ich mir nach einem Sturz die Steinchen selber aus dem Handballen klauben und unten im Tal die Wunde desinfizieren, die Herren dürfen dies alles nicht. – Allein letztes Jahr habe ich 3 Läufer mit Kreislaufzusammenbrüchen erstversorgt. Einmal hatte das RK einen großen Einsatzwagen aber keine Liege, ich musste die Burschen auffordern Beine hoch zu lagern, Decke über den Athleten zu legen, Kopf zu kühlen. Beim anderen Fall konnte ich den Läufer im Fallen auffangen und im Gras lagern. Es dauerte 10 Minuten, bis die übergewichtigen Helfer schnaufend ankamen und sich über die lange Distanz (400 m vor dem Ziel) beschwerten. Beim dritten Fall war die Versorgung bis zur Infusion - nach meiner Bitte - durch den Notarzt vorbildlich).

 

S. 44  Hast du wirklich morgens um 6 im Stadion trainiert? Oder sollte es Olympiagelände heißen?

 

S. 45 Drei Mal Komma: 34:29,6    16:55,8     16:38,7  (statt Punkt) bei den Bahnzeiten.

 

S. 46  unten (nicht 9:44.2) 9:44,2

 

S. 48/49  Widerspruch: Du gewinnst den schnellsten Zeitlauf und bist im Gesamtklassement „nur“

               11. Wie geht das?

 

S. 49  oben (nicht 3:16:50) 3:16,50, danach (nicht 16:57:50) 16:57,50, unten (nicht 35:57:90)

           35:57,90  (alles Zehnerzeiten bei Hundertstel)

 

S. 50 oben (nicht 34:04:20) 34:04,20, Mitte (nicht 16:32:10) 16:32,10   (alles Zehnerzeiten bei Hundertstel)

 

S. 60  eine Zeitangabe So. 9. 9. mit Punkt statt wie bei den anderen Angaben mit Doppelpunkt

 

S. 63 oben (nicht 31:44:80) 31:44,80   (Zehnerzeiten bei Hundertstel)

 

S. 72  (nicht die ersten zwei km sind flach) nur der erste Kilometer  (etwa 900 m) ist flach

          Beispiel: Meine Zwischenzeiten 1994  3:19/4:45/5:37/5:48/5:42/5:52/5:26/4:25 = 40:54

 

S. 74 erster Absatz (zwei Mal falsch Schaberl) Eugen Schabel (SV Brackwede/ oft auch für

         Kitzbühel startend, Jahrgang 1925)

 

S. 74 unten TF Feuerbach (nicht TV-Feuerbach)

 

S. 79 unten TF Feuerbach (nicht FV-Feuerbach)

 

S. 87 oben (nicht 44:59:50) 44:59,50   (Zehnerzeiten bei Hundertstel)

 

S. 96 oben Widerspruch: „Im letzten Lauf seiner Leistungssportkarriere, dem 18. Int. Hochfelln-

          Berglauf . . . „ – das war 1991, denn 2005 ist die 31. Ausgabe.

          Auf der nächsten Seite sind dagegen weitere nationale und internationale Erfolge zwischen

         1992 und 1995 aufgelistet. Der Umstieg auf das Rad kommentarlos lässt den Leser

          verständnislos oder erschüttert zurück, zumal die große Begeisterung für das Laufen im Text

          als „lebenslang“ geschildert wird.

 

(Anmerkung: S. 97 Nachtrag: Leider waren die BW Meisterschaften auf den Schauinsland die einzigen Meisterschaften mit Altersklasse, bis heute haben es die Funktionäre nicht geschafft eine gemeinsame BW Meisterschaft ob Berg, Straße oder Cross auf die Beine zu stellen).