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246 km Hitzeschlacht von Athen nach
Sparta Samstag, 29.September 2012, 17:48 – ich
berühre nach 34 Stunden und 48 Minuten den Fuß des Königs Leonidas in Sparta
und habe mir einen langen Traum zu meinem 50.Geburtstag erfüllt! Doch
der Reihe nach: Dienstag, 25.9. Um 10:25 sitze ich im Flieger und lasse
mich mit Air France über Paris nach Athen fliegen. Seit ca. drei Jahren habe
ich von diesem Lauf geträumt und nun bin ich in Athen, um den Spuren des
Boten Pheidippides zu folgen. Denn der zeitgenössische Historiker Herodot
berichtet, dass vor der Schlacht bei Marathon gegen die Perser der Athener
Botenläufer Pheidippides in Sparta um Hilfe bitten sollte und zu diesem Zweck
innerhalb von eineinhalb Tagen von Athen nach Sparta lief. Im Morgengrauen
gestartet, soll er am zweiten Tage vor Einbruch der Dunkelheit angekommen
sein. Zurück zur Wirklichkeit: Bustransfer zum Hotel London im Athener Vorort
Glyfada, einchecken und am 200 m entfernten Meer 30 Min bei immer noch
abendlichen 28 Grad laufen. Danach noch Nachtbaden im Meer. Mittwoch, 26.9. Ausflug nach Athen. Langer Spaziergang
durch die Innenstadt mit Dietmar Mücke und rund um die Akropolis, dem
Wahrzeichen Athens. Später 10 km durch die Parks von Athen gelaufen und an
die hohe Temperatur und die Autoabgase gewöhnt. Inzwischen
sind die meisten der gemeldeten 352 Athleten eingetroffen, denn der
offizielle Teil beginnt mit dem Mittagessen in den Hotels. Alle Deutschen und
Japaner sind im Hotel Kongo Palace untergebracht, das deutlich besser als das
Hotel London ist, wo die anderen Nationen untergebracht sind. Ich teile mir
ein Zimmer mit Edi Hahn, mit dem ich mich super verstehe. Nachmittags gehe ich
zur Registration und erhalte meine Startunterlagen. Abends wieder baden im Meer. Donnerstag, 27.9. Jetzt wird es langsam ernst.
Vormittags gebe ich meine drop bags ab. In diesen Tüten, die dann an die
einzelnen Verpflegungs- und Kontrollpunkte gebracht werden befinden sich z.B.
Ersatzkleidung, Stirnlampe oder Gels zur Nahrungsergänzung. Ich gebe für jede
4te der 75 Verpflegungspunkte einen Beutel ab, also für alle 15 bis 20 km. Nachmittags
ist Briefing, d.h. Bekanntmachung von wichtigen Infos zum Rennen. 22:00 geht’s ins Bett, denn um 4:30 klingelt der Wecker. Freitag, 28.9. Tag X: bin erst um 1:00 morgens eingeschlafen.
Auf der Straße vor dem Hotel hat wohl nachts der Grand Prix von Glyfada
stattgefunden – Autos und Motorräder lieferten sich ununterbrochen
Wettrennen. Egal, ich bin gut ausgeruht und um 6:00 sitze ich im Bus zur halbstündigen Fahrt an die Akropolis.
Nach zahlreichen Fotoshootings erfolgt um 7:00 der lang ersehnte Start in der
Dämmerung bei bereits 25 Grad. Zunächst
geht es durch die Stadt im Berufsverkehr auf abgesperrten Randstreifen, dann
erreichen wir die Stadtautobahn und laufen am Randstreifen an
Industriegebieten, Raffinerien und Lackfabriken vorbei. Zum Glück ist mein
Geruchssinn sehr schlecht, vielen wird hier schon schlecht! Dann folgen wir
der hügeligen Küstenstraße nach Korinth, hier bei bereits 35 Grad ohne
Schatten. Es läuft im 6er-Schnitt super. Ab km 60 Magendrücken, bei km 74 die
erste „Entleerung“. Obwohl ich fast nur noch gehe, erreiche ich als 43.ter um
15:24 den Kontrollpunkt in Korinth. Hier werden alle Läufer aus dem Rennen
genommen, die nicht bis 16:30 da sind. Aufgrund der hohen Temperaturen wird
dieses Zeitlimit um 30 Minuten verlängert. Ich bin ich geschockt über die
vielen deutschen Mitläufer die schon ausgestiegen sind – später erfahre ich,
dass nur noch 21 der 37 gestarteten Deutschen in Korinth im Rennen waren und
von den 310 in Athen gestarteten bereits 170 raus sind. Mir
geht es schlecht, ich kann nichts essen und nur schluckweise trinken. Ich
wechsel zwischen laufen und gehen ab. Es geht stundenlang hügelig auf Straßen
durch Olivenhaine. Gegen Abend bleibt dann endlich ein wenig Suppe bei mir
und ich erreiche kurz vor 22:00 nach 15 Stunden den Kontrollpunkt Nemea bei
km 124: Halbzeit! Ich laufe seit Korinth immer in etwa 1 Stunde vor dem
Zeitlimit und habe immer noch die Chance, in 36 Stunden das Ziel zu erreichen.
Das nächste Ziel ist die Basisstation vor dem Anstieg auf den 1200 m hohen
Sangas-Pass bei km 160. Um 4:00 nachts bin ich da. Nur noch 92 Läufer
befinden sich im Rennen. Obwohl ich seit 1 Stunde wieder nichts mehr essen
und trinken kann und mich sehr schwach fühle, will ich wenigstens auf den
Gipfel, um dann gemütlich wieder herunter zu spazieren und dann den Lauf zu
beenden. Doch während des langsamen Auf- und Abstiegs erhole ich mich auch
durch die Abkühlung auf ca. 20 Grad und beschließe, es weiter zu versuchen.
Nach 24 Stunden habe ich um 7:00 morgens ca. 175 km geschafft und laufe
langsam auf geraden Strecken und bei Gefälle und gehe die Bergauf-Passagen.
Insgesamt kommen bis Sparta knapp 3000 Höhenmeter zusammen! Bei km 200
erreiche ich die Schnellstraße, die nun die letzten 46 km nach Sparta führt.
Es ist inzwischen wie im Backofen – später höre ich von 38 Grad im Schatten. Ich
kann seit Stunden nichts mehr essen und versuche wenigstens ein wenig zu
trinken. Mein Kreislauf wird immer mehr zum Problem – ohne Kühlung mir Wasser
und Eiswürfeln überlebe ich hier nicht. Beim km 222 ist mir so schwindelig,
dass ich mich für 15 Min ins Sani-Zelt flüchte. Eine Ärztin führt Akupressur
in meinem Gesicht durch - nach 15
Minuten kann ich weiter. Dann endlich Sparta in Sicht – es zieht sich noch
ewig, aber ich weis, dass ich es jetzt sicher schaffe werde. Die letzen zwei
km laufe ich mit Jungs als Fahrradbegleitung die mit Fahnen aller Nationen
geschmückte Straße zum Denkmal des Königs Leonidas zu. Am Straßenrand, von
den Balkonen und aus den Kaffees klatschen die Einwohner Spartas, die Läufer
und ihre Betreuer jedem Finisher zu. Ich
gehe die letzten Stufen zum Denkmal hoch und berühre den Fuß des Königs – die
Gefühle spielen verrückt und sind kaum zu beschreiben. Ich bekomme einen
echten Olivenkranz auf meinen Kopf und von einer jungen Griechin einen
Schluck aus einer Schale gereicht. Jeder Finisher wird in ein Zelt gebracht
und auf einer Liege werden die Füße gewaschen und desinfiziert. Ich nehme das
Angebot der Ärztin an und lasse mir eine Infusion anhängen. Mir geht es gut –
die 400 Meter zum Hotel schaffe ich ohne Hilfe sogar zu Fuß und bin nach
einem Vollbad so aufgedreht, dass ich noch an der Siegerehrung der ersten 3
Männer und Frauen auf dem Marktplatz von Sparta teilnehmen kann. Sonntag, 30.9. Habe wie ein Stein geschlafen und
kann schon „Tutti-Frutti“ zum Frühstück aufnehmen. Danach hole ich meine drop
bags ab, die nach Sparta zurückgebracht wurden. Der Bürgermeister von Sparta
lädt uns zu einem Mittag-essen im Freien ein, bevor wir mit Bussen in 4
Stunden meist entlang der Laufstrecke wieder nach Athen zurückfahren. Montag, 1.10. Vormittags regeneriere ich im Meer,
nachmittags fahre ich mit der Straßenbahn an den Hafen von Piräus und wandere
mit zwei Freunden um die kleine Halbinsel herum. Abends dann die
„International Spartathlon Association Awards Ceremony“ mit Dinner. Jeder
Finisher wird einzeln aufs Podium gebeten, erhält seine Urkunde und Medaille
und steht den Fotografen zur Verfügung – ein emotionaler Augenblick! Danach
ist Dancing-Time und eine ausgelassenen Stimmung nach den Strapazen der
letzen Tage. Dienstag, 2.10. Um 12:35 steige ich wieder in den Flieger nach Stuttgart und
werde da von meiner Frau und einem Freund in Empfang genommen. Meiner Frau
einen ganz besonderen Dank – sie hat im Vorfeld das zeitraubende Training vor
allem im Urlaub toleriert und mich eine Woche nach Griechenland zeihen
lassen! Abends dann noch ein Sektempfang mit Freunden. Ich erzähle viel – und
doch kann vieles nicht mit Worten wiedergegeben werden, dass ich in dieser
intensiven Woche mit so vielen Laufverrückten aus 35 Ländern erlebt habe. Es
wird für mich immer ein ganz besonderes Erlebnis bleiben, denn: ich habe zwar
lange und viel gelitten, aber letztendlich meine ganz persönliche Schlacht
von Athen nach Sparta gewonnen! PROLOG: Eine Woche nach der Zielankunft: ich liege
zur Regeneration in der Sauna – es ist 17:48, meine Zielankunftszeit. Das
Thermomether zeigt 95 Grad. Ich denke: war doch alles halb so schlimm in
Griechenland ;-))) |