Gedanken an Martin

 

Liebe Angehörige, liebe Freunde von Martin.

 

Es ist Silvester 2006, ein milder Frühlingstag. Wie so oft habe ich mir einen Geburtstagswettkampf gegönnt und komme gerade zurück aus Weilimdorf. Nach dem Kaffeetrinken eile ich an den Computer. Martin hat mir um 13.24 Uhr aus dem sonnigen Allgäu bei wenig Schnee die besten Geburtstagsgrüße und alles Gute für 2007 übermittelt. Auch an meinen Silvesterlauf hat er gedacht und sich wohl kurz darauf selbst zu einer Trainingsrunde aufgemacht. Es wird sein letzter Lauf, so wie es sein letzter elektronischer Gruß ist. Meine Antwort um 17.41 Uhr hat er wohl nicht mehr gelesen.

 

Es war der 20. Dezember, als er zum letzten Mal im Kreise seiner Laufkameraden vom VfL Ostelsheim weilte. Wir planten für 2007, endlich, nach einigen Jahren Pause, wollten wir wieder zusammen in der Volkslaufmannschaft antreten. Kurt und Martin hatten das gemeinsame Umrunden des Alpsees für August fest im Programm. 2006 war für Martin ein „Ruhejahr“, was den Sport anbetraf. Der Hausbau kostete ihm neben dem stressigen Dienst viel Kraft und Zeit. Jetzt konnte er wieder loslassen, begann mit dem Training und schmiedete Pläne, auch in Anbetracht seines absehbaren Unruhestandes. Nun darf er sein gelbes Trikot nie mehr tragen, ein Start in der neuen Altersklasse der Sechzigjährigen war ihm nicht mehr vergönnt.

 

Es war der 18. Dezember, als wir uns in stockdunkler Nacht begegneten. Er erkannte mich an der Stimme und ich drehte um, begleitete ihn eine Weile Richtung Eiselstätt. Es war unser letzter gemeinsamer Lauf.

 

Der erste gemeinsame Lauf war wohl Ende der Achtziger Jahre, es war eine lange Tour Richtung Pforzheim und zurück. Martin hatte das Ziel Marathon fest im Visier. Bald kam er regelmäßig zum Lauftreff Stammheim und war mir ein langes Jahrzehnt als einer meiner Gymnastikleiter zuverlässig und treu zur Seite.

 

1992 trat er dann dem Laufteam des VfL Ostelsheim bei. Stets war er in seiner Altersklasse auf Kreisebene auf vorderen Plätzen zu finden. Seine Arbeit ließ ihm in der Regel aber zu wenig Zeit für ein intensives Training. Trotzdem war er auf Landes- und Bundesebene in unserem Team sehr erfolgreich. Krönung waren seine 2 Deutschen Meisterschaften mit der 10-Kilometer-Mannschaft der Fünfundfünfzigjährigen 2002 und 2003 in Salzgitter und Troisdorf. 2004 schafften wir mit Martin in Bad Liebenzell noch einmal den 3. Platz. Bei unzähligen Württembergischen Meisterschaften standen wir gemeinsam auf dem sogenannten Siegertreppchen.

 

Heute zählt etwas anderes als Titel und Zeiten. Die Erinnerung an einen guten Kameraden, an Läuferfeste im Kleingartengelände, an Gespräche im Laufschritt.

 

Keiner kann seinem Schicksal davonlaufen, auch wir Läufer nicht. Manchmal sollten wir öfters mit dem Training aussetzen, wenn Stress oder Krankheit uns Signale geben. Andererseits wehren wir uns gegen die Häme der Nichtsportler, die Bewegung als Ursache für Krankheit und frühzeitigen Tod diffamieren. – Eines seiner großen Ziele, die 10 Kilometer unter 40 Minuten zu laufen, hat unser Freund nun nicht mehr erreicht. Oft standen wir am Ziel und drückten die Daumen, dass er ganz schnell auftauchen und das Rennen beenden würde. Nun stehen wir sprachlos in der Kirche in Heumaden und er hat schon auf uns gewartet.

 

Martin hat einen außergewöhnlich guten Lebenslauf gemacht.

 

Wir so unendlich traurig, dass er dieses Mal das Ziel Jahrzehnte zu früh erreicht hat!

 

(Günter Krehl für die Läufer des VfL Ostelsheim und des Lauftreffs Stammheim)