Gemischte Wettkämpfe als Beitrag zur Straffung von leichtathletischen Wettbewerben und zur Erhöhung der Attraktivität von Läufen auf der Bahn

 

1. Vorstellung:

 

Seit 38 Jahren bin ich mit der Leichtathletik im Verein verbunden und seit dem ersten Lauf am 12. Februar 1964 über 1 000 m in 2:59,1 in der alten Killesberghalle ohne Unterbrechung jedes Jahr bei Lauf- und anderen Wettkämpfen angetreten.

Als Läufer früher 15 mal hintereinander in der WLV Bestenliste im Marathon. 112 Marathonläufe, davon 37 unter 2:40.

Erfolge im Seniorenbereich: Württembergischer Seniorenmeisterschaften im Einzel (25 km, 10 km, 10 000 m Bahn) und in der Mannschaft (25 km, Waldlauf, Halbmarathon, 10 km). Mannschaftserfolge 1998 bis 2001 in der M 50/55 des VfL Ostelsheim 7 Mal Meister, 5 x Zweiter und 3 x Dritter.

Als Funktionär seit 1980 Kreisstatistiker in Calw. Mehr als 10 Jahre Schülertrainer, seit 1990 Lauftreffleiter im VfL Stammheim. Seit etwa 1980 Trainer, Pressewart, Statistiker, Meldewart und Homepagegestalter der Langstreckler des VfL Ostelsheim. Seit 1980 Veranstalter von Volks-, Berg- und Bahnläufen, seit 27 Jahren Veranstalter eines Schulwaldlaufes mit über 400 Schülern.

 

Dies soll kein Angriff auf Funktionäre werden – bin selber einer – aber was heute gilt kann morgen falsch sein. Im Vorfeld von Olympia 1972 unterbreitete ich DLV Volkslaufwart Otto Hosse meine Visionen von einem großen Olympiastadtmarathon – heute bin ich ein großer Kritiker dieser Massenläufe, bei denen die deutschen Meisterschaften untergehen – siehe Siegerehrung Frankfurt 2001.

 

2. Geschichte

 

Bevor ich als Funktionär begann, stellte ich einen Antrag an meinen damaligen Kreisauschuss, Frauen über 10 Kilometer mit den Männern laufen zu lassen. Dies wurde abgelehnt, wir fuhren deshalb zum Bahnlauf nach Baden, dort ging es schon freiheitlicher zu. Es war noch die Zeit, als Kathy Switzer als Mann verkleidet vom Organisator des Boston Marathons aus dem Rennen gezerrt worden wäre, hätte ihr nicht ein männlicher Begleiter Beistand geleistet. Im WLV gab es bei den aufkommenden Volksläufen der siebziger Jahre für die Frauen eine extra 3 000 Meter Distanz, meiner Frau wurde einmal von einem dicken Funktionär auf der 10 000 m Strecke die Disqualifikation angedroht. Der Marathonlauf der Frauen wurde in Bräunlingen heimlich unter Umgehung des Leichtathletikverbandes ins Leben gerufen. Vor allem gut trainierte Skilangläuferinnen wurden angesprochen und angeschrieben und etwa 40 Athletinnen beendeten das Rennen in damals kaum für möglich gehaltenen Zeiten. So fortschrittlich Bräunlingen anfangs war, wollte mich 1985 ein Funktionär mit Gewalt aus dem Rennen nehmen, weil ich meine siebenjährige Tochter in 3:26 (Brutto) durch die „Sandwege“ mit offizieller Startnummer schob.

Läufer wurden disqualifiziert, weil sie von Zuschauern und/oder außerhalb der offiziellen Verpflegungsstationen Getränke oder Schwämme angenommen hatten.

Als Jugendlicher  stellte ich meinem noch heute sehr verehrten Trainer und späteren WLV Lehrwart Ernst Wurfer die Frage, warum Frauen keinen Stabhochsprung machen. Er erklärte mir, dass sie das wegen ihrer Brust nicht machen könnten. Vielleicht ahnte er schon, dass die heutigen Weltklassespringerinnen seine Bestmarke haushoch übertrumpfen würden.

 

Wo wir heute hingekommen sind durch den Mut der weiblichen Pioniere und ihrer männlichen Unterstützer an der Basis wissen wir alle.

3. Verbände

 

a)      International: Bei Sportfesten auf der ganzen Welt hat sich eine Unsitte in der Leichtathletik eingebürgert, dass Athleten, sogenannte „Hasen“ gegen Geld einen vorher bestimmten Weltklasseläufer zu Bestzeiten oder Rekorden führen sollen. Diese Läufer gehen mit der Absicht in ein Rennen, dieses nicht zu beenden, was an und für sich schon eine Unsportlichkeit ist. Schrittmachen durch nicht am Wettkampf beteiligte Personen ist laut Wettkampfordnung verboten. Sind diese „Hasen“ etwa am Wettkampf beteiligt? In seltenen Fällen ja, wenn sie sich nicht an die Abmachung halten und das Rennen gewinnen oder wenigstens zu Ende laufen. Zum Weiteren raubt diese Renngestaltung jegliche Spannung, außer der, „schafft er den Rekord“. Mögliche Konkurrenten werden schon im Vorfeld ausgebootet, entweder in einen anderen Wettbewerb gepackt oder einfach ausgeladen. Eine Niederlage bedeutet immer auch, den eigenen Marktwert  herabzusetzen, die Medien haben eine nicht unwesentliche Schuld am Niedergang der zweiten Reihe unserer Leistungsträger. Die Leichtathletikordnung verbietet das Schrittmachen von überrundeten Läufern, die in der Regel wenigstens den Wettkampf beenden, aber der Weltverband erklärt zum Beispiel den Stundenweltrekord von Tegla Lorupe für gültig, obwohl zwei Teamkameradinnen abwechselnd je eine Runde mit ihr mitgelaufen sind. Einflussreiche Macher wie Jos Hermens schreien für jedermann im Fernsehen sichtbar ihre Athleten aus dem Innenraum zu Rekorden, obwohl dies der Regel nach unzulässig ist. Athleten müssen sich an keine Kleiderordnung und/oder Vereinstrikots halten, die Übersicht in den Rennen geht verloren, 15 schwarze Athleten aus 6 Ländern alle im blauen Trikot des gleichen Ausrichters.

b)      National: Werden noch immer Läufer disqualifiziert, die nicht in der offiziellen Hose des Vereins antreten. Einem Schüler wird der deutsche Rekord  verweigert, weil er mit B-Jugendlichen gelaufen ist, die ihm größtenteils das Wasser nicht reichen können. 5 Frauen werden mutterseelenallein in der Nachmittagshitze über 25 Runden geschickt, die Männer legen die Distanz in der abendlichen Kühle in 2 Zeitläufen zurück. Disqualifikation droht, wenn riesige Startnummern ohne Werbung zu beschädigen leicht verkleinert werden.

 

4. DLV

 

Präsident Prokop will die Leichtathletik attraktiver machen, Jahrmarktsspringen, Ausscheidungsrennen, Biathlonwettbewerbe als Ergänzung sind durchaus denkbar aber nie Ersatz für die reguläre Königin der Sportarten. Der Terminkalender der Spitzenklasse ist ohnehin überfüllt und der Athlet aus der 2. Reihe braucht keinen 10 000 Meter Lauf, bei dem in jeder Runde der letzte ausscheidet und am Ende nur die beiden ersten 25 Runden gelaufen sind.

2000 Crossläufer mussten vor ein paar Jahren ihre Meisterschaft vom März in den Dezember verlegen, um ein Ausscheidungsrennen für die neu eingerichteten Crosseuropameisterschaften zu haben, zu denen dann kein deutscher Athlet hinging.

Selbst bei AIMS vermessenen Straßenstrecken werden keine Rekorde nur Weltbestzeiten geführt, dafür gilt die Leistung von Uta Pippig von der nicht rekordfähigen Punkt zu Punkt Strecke in Boston als deutsche Bestleistung, obwohl ein Orkan sie Richtung Ziel blies. – Hier ist der WLV Fortschrittlicher und führt Rekorde – allerdings auch eine Bostonzeit von U. Pippig.

 

 

 

 

5. WLV

 

Auf dem Verbandstag in Wangen wurden gute Wege beschritten. „Mein“ WLV oder „unser“ WLV und nicht „der“ WLV. „Wir werden es machen“ und nicht „man sollte machen“ waren prägende Schlagworte. Diese Ideen will Präsident Lebherz an die Basis transportieren. Sind sie denn nicht schon lange da. Ich meine, die Ideen der Basis sollten zum Verband gelangen, gehört werden und ernst genommen und dort, wo Entscheidungen in den Vereinen nicht verstanden werden, müssen die gewählten Funktionäre als Fachleute auch Rede und Antwort stehen. Zum Beispiel erklären, warum der Bereich Lauf die Straßenmeisterschaft vom März als idealen Termin nach dem Wintertraining in den marathonbesetzten Oktober legt.

Eine Zielformulierung in Wangen war die Straffung von Leichtathletikwettbewerben und damit die Erhöhung der Attraktivität für Athleten und Zuschauer. Das ist das eigentliche Thema meines Vortrages zu dem ich jetzt einige Forderungen und Thesen in den Raum stellen möchte.

 

 

6. gemischte Wettkämpfe

 

-         der DLV lässt gemischte Wettkämpfe zu

a)      bei zu geringen Teilnehmerfeldern/Wettkampf kommt sonst nicht zu Stande

b)      aus organisatorischen Gründen/Straffung des Zeitplans

 

beide Auslegungen sind Bereiche in der Grauzone und benötigen entweder einen Juristen oder einen freundlichen Funktionär (Wettkampfaufsicht bis Statistiker)

 

-         ich fordere geradezu die Regeln ernst zu nehmen und sie genau einzuhalten, richtig messen und stoppen, Streckenlängen penibel zu vermessen, Zeiten korrekt zu übertragen, Bestenlisten gewissenhaft zu führen, Schüler nur in die für sie vorgesehenen Disziplinen in Bestenlisten führen aber:

-         die Leistung des Athleten zu achten, den Wettkampf unter ähnlich leistungsstarken Sportlern zu fördern, deshalb

-         geschlechts- und altersklassengemischte Wettbewerbe zuzulassen und womöglich zu fördern. Dafür nenne ich folgende Gründe:

-         es ist nicht logisch, dass Männer gegen Entgelt Männer „ziehen“ aber B-Jugendliche Senioren nicht „ziehen“ dürfen; Frauen dürfen Frauen „ziehen“ aber nicht langsamere Männer

-         werden Läufe nach Altersklassen und Geschlecht eingeteilt, werden sie unattraktiv für diejenigen, die weit vorne weg laufen (schnelle Frauen, schnelle Schüler, schnelle Altersklassenläufer) und für die, die am Ende des Feldes unterwegs sind (langsame Männer, ältere Senioren, langsame Schüler)

-         spannende Rennen mit vielen Teilnehmern auf der Bahn sind Alternativen zu den Massenläufen auf der Straße und im Waldgelände

-         über diese Läufe und über Jedermannzehnkämpfe können neue Leichtathleten gewonnen werden

-         der Trend zum Spaßvolksmarathonläufer ohne Vereinsbindung wird durch Geisterläufe über die Mittelstrecken verstärkt

-         gemischte Rennen verkürzen den Wettkampfablauf teilweise um Stunden

-         es ist möglich im technischen Bereich durch Benützung der unterschiedlichen Gewichte, dass sich das kleine Grüppchen der Werfer als „Sportfamilie“ fühlt

-         es ist möglich, unterschiedliche Klassen mit unterschiedlichen Hürdenhöhen und Abständen  ein befriedigendes Wettkampferlebnis zu verschaffen

-         Hoch- und Stabhochsprung für Wettkämpfer mit bestimmten Anfangshöhen erzeugen Spannung, die W 60 Athletin hat in der C-Schülerin eine ebenbürtige Konkurrentin. Die 1,80 Springerin der Sonderklasse steigt bei 1,65 in den Wettkampf ein, die Zweitplatzierte ist bei 1,35 ausgeschieden – es hat kein Wettkampf stattgefunden. Später springen drei Männer im Bereich der besten Frau, sie hätten im gemeinsamen Wettkampf ihr gewiß keine unerlaubte Sprunghilfe aber das spannende Wettkampfgefühl gegeben.

 

7. Beispiele

 

Ich möchte zwei von sicher mehreren Beispielen hier erwähnen, hoffe gleichzeitig aber, dass übereifrige Funktionäre nicht den Bestand dieser Veranstaltungen gefährden, indem sie diese Resultate für ungültig erklären wollen.

 

A)    Fischbach: Den Wettbewerb kenne ich nur vom Hörensagen und der Statistik. An mehreren Abenden  kommen immer einige wenige Wettbewerbe zur Austragung. Die Athleten verteilen sich somit nicht auf viele Disziplinen und es kommen riesige homogene Starterfelder zu Stande. Aus „organisatorischen Gründen“ müssen die Läufe gemischt werden, bei getrennten Läufen gäbe es immer schnelle und langsame Läufer und der Zeitplan könnte nicht eingehalten werden. Den Sportlern gefällt es, sie kommen zahlreich und bringen gute Leistungen

B)     Calw-Stammheim: Ich selbst habe in den letzten 5 Jahren 10 Läuferabende „Läufer für Läufer“ veranstaltet. Zuerst kommt der 1 500 Meter Lauf für alle ab der Jugend. 39 Läufer in 2 Rennen, im A-Lauf wurden Zeiten von 4:23 bis 5:14, im B-Lauf 4:50 bis 6:18 gelaufen, nur den letzten im schnellen Rennen hatte ich falsch eingeteilt. Am gleichen Tag gibt es noch für 8 Schülerinnen 800 und 23 Schüler 1 000 Meter. Eine Woche später laufen weibliche und männliche Schüler (zusammen 15) 2000 Meter und ab Jugend 3 000 Meter. 45 Starter über diese Strecke in 2 Läufen, auch hier nur der letzte im A Lauf langsamer als die zwei ersten im B-Lauf. Zum Vergleich: 3 Starter bei den Kreismeisterschaften über 3000 Meter.

 

8. Fazit

 

Die Leichtathletik lebt überall dort, wo sie sich nach den Bedürfnissen ihrer Mitlieder richtet. Spannung im Wettkampf, das Erreichen seiner persönlichen Grenze und ein Miteinander der Generationen sollte möglich sein, ohne Regeln zu verwässern oder beliebig zu machen. Regeln sollten aber für den Menschen da sein und nicht der Mensch für die Regeln.