Trinksucht bei Läufern (21.02.2003)
Es gilt die Sache mit dem simplen Ernährungsfehler
aufzuklären, der unter Umständen schwache Marathonleistungen erklärt. Es ging
dabei um die Frage, warum der allgemeine Leistungsstandard der deutschen
Marathonläufer seit Jahren immer weiter absinkt. Meine Gedanken waren dazu, was
sich denn eigentlich geändert hat im Gegensatz zu früher.
Dass einmal der große Fleiß der 70er und 80er Jahre nicht mehr da ist, darüber
herrscht im Großen und Ganzen Einvernehmen. Dies scheint der eigentliche
Hauptgrund für den Leistungsverfall zu sein. Aber es ist mir eine Sache
aufgefallen, die in früheren Jahren nicht so wie heute gehandhabt wurde. Wenn
damals jemand zu einer großen Runde > 30 km aufgebrochen wäre und hätte
sich eine Trinkflasche umgeschnallt, dann hätten wir ihn ausgelacht. Wenn es
tatsächlich einmal so heiß war, dass wir Durst bekamen, dann liefen wir eine
Tankstelle oder einen Friedhof an und labten uns am Leitungswasser.
Bis zu diesen Tagen hin, haben uns aber Sportmediziner und Industrie mit Macht
in Richtung Trinken beim Training, besonders von sogenannten isotonischen Getränken
getrieben. Auch wurde wahre Horrorszenarien über Gesundheits- und Leistungsschäden
durch Flüssigkeitsmangel verbreitet. Hinter einem wahren Kern verstecken sich
natürlich auch massive wirtschaftliche Interessen, denn an diesen Sportgetränken
wird geradezu ungeheures Geld verdient. Wenn eine bekannte amerikanische Firma
ihr 0,75 l Sportgetränk für 2,50 EUR verkauft, dann dreht sich mir der Magen
um. Obwohl wir dieses Getränk - auch weil es vom Konsumenten verlangt wird -
auch führen, lehne ich es persönlich ab davon zu trinken. Als Getränkefachmann
(Dipl. Braumeister) weiß ich ziemlich genau, wie hoch die Gestehungskosten für
diese angeblich schnelle Pulle sind. Der Verkaufspreis steht in keinem Verhältnis
zum Wert des Inhalts.
Unterschwellig suggeriert der Preis, je teurer desto besser. Und wenn Du dann
auch noch besonders viel davon trinkst, dann wirst Du noch besser. Mir hat jetzt
gerade jemand geschrieben, dass er, was sinnvoll ist, auf seinen 35 km leicht
gesalzene Saftschorle trinkt. Davon aber jetzt im Winter 1,5 l!! Das grenzt
wirklich schon an Trunksucht. Wie bei der echten Trunksucht, wird ihm dann
danach auch ausnahmslos übel. Man sollte nicht über diesen Mann lächeln, denn
er macht nur das, was ihm andere einreden.
Der drohende Medizinerfinger hat auch eine wahre Wassertrinksucht ausgelöst.
Dabei werden auch Wässer konsumiert, die einfach schädlich für uns Läufer(innen)
sind. Es sind dies besonders natriumarme Wässer, die auch noch bei Tests
besonders gute Bewertungen bekommen. Diese Wässer schwemmen soviel Mineralien
aus dem Körper, dass es schon zu Todesfällen gekommen ist.
Nach diesen Zeilen werden Sie lieber Leser jetzt annehmen, ich möchte Ihnen
generell raten, im Training möglichst wenig zu trinken. Das ist mitnichten so,
wir alle müssen unsere Flüssigkeitsverluste ersetzen und es gibt wirklich
Gesundheitsschäden durch zu wenig trinken. Dennoch müssen wir es sehr kritisch
betrachten, was, wann und wie viel wir im Training trinken.
An dieser Stelle möchte ich ganz besonders darauf hinweisen, dass sich diese
Zeilen nur auf das Trinken im Marathon-Training und nicht im -Wettkampf
beziehen!
Um den eigentlichen simplen Ernährungsfehler, den wir durch falsches Trinken
begehen können zu erklären, muss ich zum besseren Verständnis etwas weit
ausholen. Jedem Interessierten ist es bekannt, dass die eigentlich knappe
Energiequelle im Marathon-Wettkampf das Glykogen ist. Das sind gespeicherte
Kohlenhydrate, die während der sportlichen Betätigung wieder abgebaut werden
und dem Körper als Glukose (Zucker) die nötige Verbrennungsenergie liefern. Um
ein gutes 42,2 km-Rennen zu laufen, benötigen wir soviel Glykogen wie möglich.
Dieser Speicherstoff wird in der Muskulatur und in der Leber eingelagert. Leider
sind diese Speicher klein, sie können aber durch Training vergrößert werden.
Der Reiz zur Einlagerung von mehr Glykogen wird durch eine möglichst tiefe
Ausschöpfung dieses Substrats im Training gelegt. Bei einem langen Lauf wird
sehr viel von den Glykogenreserven verbraucht. Je höher die Ausschöpfung
dieser Reserven ist, desto größer ist auch der Reiz zu mehr Einlagerung von
mehr Glykogen. Diese Ausschöpfung folgt den Regeln der Superkompensation. Das
heißt also, je länger und schneller ich laufe, desto mehr von dem wertvollen
Glykogen steht mir beim nächsten Training zur Verfügung (Siehe auch Count Down
zur Bestzeit, 35 km mit Endbeschleunigung).
Das Dumme an der Sache ist, dass unser Organismus nun ganz und gar nicht gerne
sein Glykogen hergibt. Am Anfang kommt der Energiestrom noch locker, das Laufen
macht uns keine Mühe. Mit zunehmender Länge des Trainings merken wir genau,
wie unsere Energie so langsam schwindet. Unser Körper gibt immer zäher von
seinen Reserven ab. Normalerweise kommen wir dann schnell in den Bereich, wo wir
das Training abbrechen möchten. Man bin ich fertig! Ein Marathonläufer muss
aber an diesem Punkt noch weiter, um seinen Organismus in einen noch stärkeren
Energiemangel zu bringen. Einerseits zwingt er dadurch seine Systeme dazu, immer
mehr auf den Fettstoffwechsel zurückzugreifen, andererseits werden aber auch
die Glykogenreserven tiefer ausgeschöpft.
In diesem Trainingsbereich möchte man eigentlich nicht mehr laufen. Wir alle fühlen
uns völlig leer und sollen dennoch weitermachen. Und doch sind wir jetzt genau
an dem Punkt angelangt, wo sich unser Training, von dem des 10 km- oder
Halbmarathonläufers unterscheidet. Die Härte an dieser Stelle gegen Dich
selbst, macht Dich zum erfolgreichen Marathonläufer.
So und nun kommen wir zum Punkt! Es gibt aber einen Trick, mit dem Du Dir die
ganze Sache scheinbar einfacher machen kannst. An dieser Stelle kommt jetzt die
mitgeführte Trinkflasche mit einem Energiegetränk (gesüßt!) und unter Umständen
auch noch der Energieriegel auf das Trapez. Wer jetzt oder vorher trinkt oder
isst, führt dem Körper Kohlenhydrate zu. Nun ist er nicht mehr allein auf das
Glykogen aus Muskel und Leber angewiesen, sondern kann auf den frischen Zucker
zugreifen, den ihm der Verdauungstrakt liefert. Das geht insbesondere nur im
Training, weil jetzt noch genug Kreislaufreserven zur Verfügung stehen, um die
Verdauungsorgane zu durchbluten. Die Folge dieser Maßnahme sind einerseits,
dass es nicht zu einer tiefen Ausschöpfung der Glykogenreserven kommt, auch der
gewünschte hohe Anteil der Ernergiegewinnung aus dem Fettstoffwechsel geringer
ausfällt, man sich aber andererseits gesamtkörperlich nicht so ausgepowert fühlt.
Die eigentliche Folge aber ist fatal. Dass, was wir eigentlich erreichen
wollten, bleibt aus. Das Ziel einer tiefen Ausschöpfung der Kohlenhydratvorräte
wird nicht erreicht. Wir haben die Chance vertan unsere Glykogenreserven durch
die Superkompensation entscheidend zu erhöhen. Durch die Zufuhr von Zucker
wurde eine Kausalkette unterbrochen.
Die Rache dieser scheinbar guten Tat ist Dir sicher! Im Marathon wird bei
deutlich höherem Tempo als im Training mehr und schneller Glykogen verbraucht.
Wenn Du dieses verschossen hast und bist allein auf Deinen Fettstoffwechsel
angewiesen, dann erlebst Du Dinge von denen Du vorher nur träumen konntest.
Besonders dann, wenn Du trotz Energiemangel schnell weiterläufst.
Natürlich werden nicht nur wenige von uns auf die Idee kommen, das sei alles
kein Problem, ich kann ja auch im Wettkampf energiereiche Getränke zu mir
nehmen oder z.B eine Banane essen, dann klappt es schon. Ja, kann man! Leider
aber kommt die Energie nicht mehr dort hin, wo sie gebraucht wird. Denn im
Wettkampf sitzt jeder mögliche Milliliter Blut in der arbeitenden Muskulatur
und nicht im Verdauungstrakt. Banane und Säftchen werden erst verdaut, wenn Du
im Ziel bist.
Es gibt aber einen Trost. Je langsamer jemand läuft, desto besser kann er auch
noch innerhalb des Marathons Gewinn aus frisch zugeführter Energie ziehen.
Andererseits ist es logischerweise dann auch so, dass schnelle Leute in sich
reinstopfen können was sie wollen. Die Chance auf energetischen Zugewinn ist
nur minimal (Laufen darum unsere Jungen im oberen Leistungsbereich so langsam?).
In Zusammenfassung rate ich folgendes: Leistungsstarke Läufer unter 3:30 h
sollten während der 35 km nur Wasser trinken. Langsameren rate ich, gesüßte
Getränke zu sich zu nehmen, so lange sie noch Probleme mit der Strecke haben.
Kommt es nicht mehr innerhalb des Trainings zu starken Erschöpfungszuständen,
sollte auch diese Gruppe auf Wasser umsteigen. Bei kürzeren Läufen reicht es
aus, wenn der Flüssigkeitsverlust nach dem Training ersetzt wird. Dann aber
sollte das Getränk richtig energiereich sein. Ich empfehle nach normalen
Belastungen Saft, nach den 35 km Ultra-Refresher mit einer Kapsel
Apfelessig-Konzentrat.
(Peter Greif)
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